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(4/8) Der heilige Rosenkranz - dritter Zehner: Vortrefflichkeit des Rosenkranzes in der Betrachtung des Lebens und Leidens unseres Herrn Jesus Christus
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Zusammenfassung
EINUNDZWANZIGSTE ROSE: Die fünfzehn Geheimnisse des Rosenkranzes
Ein Geheimnis ist eine heilige und schwer verständliche Sache. Die Werke Jesu Christi sind alle heilig und göttlich, weil Er Gott und Mensch zugleich ist. Jene der Allerseligsten Jungfrau sind sehr heilig, denn sie ist das vollkommenste aller bloßen Geschöpfe. Mit Recht nennt man die Werke Jesu und Mariä Geheimnisse, denn sie sind voll von Wundern, Vollkommenheiten und hohen und erhabenen Lehren, die der Heilige Geist den demütigen und einfachen Seelen, welche sie verehren, offenbart. Man kann die Werke Jesu und Mariä auch wunderbare Blumen nennen, deren Duft und Schönheit nur jenen bekannt sind, die sich ihnen nähern, ihren Duft einatmen und ihre Blüten durch aufmerksame und ernste Betrachtung erschließen.
Der heilige Dominikus hat das Leben Jesu und Mariä in fünfzehn Geheimnisse eingeteilt, die uns ihre Tugenden und ihre hauptsächlichsten Taten wie in fünfzehn Bildern darstellen, deren einzelne Züge uns für unsere Lebensführung Richtschnur und Beispiel sein sollen. Es sind fünfzehn hellstrahlende Leuchten, die unsere Schritte in dieser Welt lenken sollen; fünfzehn Brennspiegel, um Jesus und Maria und uns selbst kennenzulernen und das Feuer ihrer Liebe in unseren Herzen zu entzünden; fünfzehn Glutöfen, um uns in ihren himmlischen Flammen gänzlich zu verzehren.
Die Allerseligste Jungfrau hat den heiligen Dominikus diese vortreffliche Gebetsweise gelehrt und ihm befohlen, sie zu predigen, um die Frömmigkeit der Christen zu wecken und die Liebe Jesu Christi in ihren Herzen wieder zu beleben. Sie lehrte dieselbe auch den seligen Alanus de Rupe.
„Es ist ein sehr nützliches Gebet“, sagte sie zu ihm, „ein Dienst, der mir sehr angenehm ist, hundertfünfzigmal den Engelsgruß zu beten. Er ist es mir noch mehr, und man tut noch viel besser daran, wenn man ihn unter Betrachtung des Lebens, Leidens und der Glorie Jesu Christi betet, denn die Betrachtung ist die Seele dieser Gebete."
In der Tat wäre der Rosenkranz ohne die Betrachtung der heiligen Geheimnisse unseres Heiles fast wie ein Körper ohne Seele, eine vortreffliche Materie ohne ihre Form, durch die sie von den übrigen Andachtsübungen sich unterscheidet.
Der erste Teil des Rosenkranzes enthält fünf Geheimnisse:
Man nennt diese Geheimnisse die freudenreichen wegen der Freude, die sie der ganzen Welt bereitet haben.
Die Allerseligste Jungfrau und die Engel wurden in dem Augenblick von Freude erfüllt, da der Sohn Gottes Fleisch annahm.
Die heilige Elisabeth und der heilige Johannes der Täufer waren voll Freude über den Besuch Jesu und Mariä.
Himmel und Erde freuten sich bei der Geburt des Erlösers.
Simeon wurde getröstet und mit Trost erfüllt, als er Jesus in seine Arme empfing.
Die Gelehrten waren von Bewunderung entzückt, als sie die Antworten Jesu vernahmen; und wer will die Freude beschreiben, die Maria und Josef empfanden, als sie Jesus nach dreitägigem Verluste wiederfanden?
Der zweite Teil des Rosenkranzes besteht auch aus fünf Geheimnissen, die man die schmerzensreichen nennt, weil sie uns Jesus Christus von Traurigkeit niedergedrückt, mit Wunden bedeckt, mit Schmach beladen, voll Schmerzen und Qual vor Augen stellen.
Der dritte Teil des Rosenkranzes enthält fünf andere Geheimnisse, die man die glorreichen nennt, weil wir darin Jesus und Maria im Triumph und in der Glorie betrachten.
Das sind also die fünfzehn duftenden Blüten des mystischen Rosenstrauches, auf die sich die frommen Seelen gleich klugen Bienlein niederlassen, um daraus den wunderbaren Saft zu saugen und den Honig echter Andacht zu bereiten.
ZWEIUNDZWANZIGSTE ROSE: Die Betrachtung der heiligen Geheimnisse macht uns Jesu gleichförmig
Die Hauptsorge der christlichen Seele ist, nach der Vollkommenheit zu streben. Seid getreue Nachahmer Gottes, als Seine vielgeliebten Kinder (Eph 5,1), sagt der große Apostel. Diese Verpflichtung ist im ewigen Ratschluß unserer Vorherbestimmung enthalten als das einzige Mittel, um zur ewigen Seligkeit zu gelangen.
Der heilige Gregor von Nyssa sagt so zart, wir seien wie Maler. Unsere Seele ist die leere Leinwand, auf welcher wir den Pinsel führen müssen; die Tugenden sind die Farben, die ihren Glanz erhöhen sollen, und das Original, das wir kopieren müssen, ist Jesus Christus, das lebendige und vollkommene Abbild des Ewigen Vaters. Wie also ein Maler, um ein natürliches Gemälde zu erhalten, sein Modell vor sich hat und bei jedem Pinselstrich beobachtet, so muß auch der Christ das Leben und die Tugenden Jesu Christi vor Augen haben, um ja nichts zu sagen, zu denken oder zu tun, was Ihm nicht gleichförmig wäre.
Um uns bei dem wichtigen Werk der Auserwählung zu helfen, hat die Allerseligste Jungfrau dem heiligen Dominikus befohlen, den Gläubigen, die den Rosenkranz beten, die heiligen Geheimnisse des Lebens Jesu Christi vor Augen zu stellen, nicht nur, damit sie Ihn anbeten und verherrlichen, sondern hauptsächlich, damit sie ihr Leben und ihre Handlungen nach Seinen Tugenden einrichten.
Wie aber die Kinder ihre Eltern nachahmen, indem sie dieselben sehen und mit ihnen verkehren; wie sie deren Sprache lernen, indem sie dieselben reden hören; wie ein Lehrling seine Kunst erlernt, indem er den Meister arbeiten sieht: so werden die treuen Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft mit Hilfe der göttlichen Gnade und durch die Fürbitte Mariä dem göttlichen Lehrmeister ähnlich, indem sie die Tugenden Jesu Christi in den fünfzehn Geheimnissen Seines Lebens aufmerksam und fromm betrachten.
Wenn Moses im Namen Gottes selber dem hebräischen Volke befahl, die göttlichen Wohltaten, womit es überhäuft worden war, nie zu vergessen, so kann mit viel größerem Recht der Sohn Gottes uns befehlen, die Geheimnisse Seines Lebens, Seines Leidens und Seiner Herrlichkeit in unser Herz einzuprägen und sie unaufhörlich vor Augen zu haben, weil dies ebensoviele Wohltaten sind, mit denen Er uns begünstigt und durch die Er uns das Übermaß Seiner Liebe für unser Seelenheil gezeigt hat. „O ihr alle, die ihr des Weges vorüberziehet", sagt Er, "schauet und sehet, ob ein Schmerz gleich sei Meinem Schmerze (Klagel. 1,12), den Ich aus Liebe zu euch erdulde. Erinnert euch Meiner Armut und Meiner Erniedrigungen, denkt an den Essig und an die Galle, die Ich in Meinem Leiden für euch verkostet."
Diese und ähnliche Worte, die man anführen könnte, überzeugen uns zur Genüge von der Pflicht, uns nicht damit zufriedenzugeben, den Rosenkranz zu Ehren Jesu Christi und Seiner heiligsten Mutter nur mündlich zu beten, sondern unter Betrachtung der heiligen Geheimnisse.
DREIUNDZWANZIGSTE ROSE: Der Rosenkranz als Gedächtnis des Lebens und Sterbens Jesu Christi
Jesus Christus, der göttliche Bräutigam unserer Seele, unser süßester Freund Jesus wünscht, daß wir uns Seiner Wohltaten erinnern und sie über alles schätzen; Er empfindet eine außerwesentliche (akzidentelle) Freude, gleichwie auch Maria und alle Heiligen des Himmels, wenn wir andächtig und mit Liebe über die heiligen Geheimnisse des Rosenkranzes betrachten, welche die ausgeprägtesten Wirkungen Seiner Liebe zu uns sind und die reichsten Geschenke, die Er uns machen kann, weil durch solche Geschenke die Himmelskönigin selbst und alle Heiligen sich der Glorie erfreuen.
Die selige Angela von Foligno bat einmal den göttlichen Heiland, sie zu lehren, durch welche Übung sie Ihn am meisten ehre. Er erschien ihr ans Kreuz geheftet und sagte: „Meine Tochter, betrachte Meine Wunden!" Sie vernahm von ihrem liebenswürdigsten Erlöser, daß Ihm nichts angenehmer sei, als die Betrachtung Seiner Leiden. Darauf enthüllte Er ihr die Wunden Seines Hauptes und mehrere Umstände Seiner Martern und sprach zu ihr: „Alles das habe Ich für dein Heil gelitten, was könntest du tun, das Meiner Liebe zu dir gleich käme?"
Das heilige Meßopfer ehrt unendlich die Allerheiligste Dreifaltigkeit, weil es das Leiden Jesu Christi darstellt und wir darin die Verdienste Seines Gehorsams, Seiner Leiden und Seines Blutes aufopfern. Auch der ganze himmlische Hof erhält einen Zuwachs an außerwesentlicher Glorie und zwar aus demselben Grunde, sagen uns mehrere Gelehrte mit dem hl. Thomas, wie er sich über die Kommunion der Gläubigen freut, nämlich weil das heiligste Sakrament das Gedächtnis des Leidens und Sterbens Jesu Christi ist und weil die Menschen durch dieses Gnadenmittel an den Früchten des Kreuzesopfers teilnehmen und in ihrem Heilswerke voranschreiten.
Nun aber ist der Rosenkranz, wenn er unter Betrachtung der heiligen Geheimnisse gebetet wird, ein Gott dargebrachtes Lobopfer für die Wohltat unserer Erlösung und ein frommes Andenken an die Leiden, den Tod und die Glorie Jesu Christi. Es ist also wahr, daß der Rosenkranz ein Zuwachs von außerwesentlicher Glorie und Freude ist für Jesus Christus, für Maria und für alle Heiligen, denn sie wünschen nichts sehnlicher zu unserem ewigen Glück, als uns mit einer Übung beschäftigt zu sehen, die für unseren Erlöser so glorreich und für uns so heilsam ist.
Das Evangelium versichert uns, daß ein Sünder, der sich bekehrt und Buße tut, allen Engeln Freude bereitet (vgl. Lk 15,7). Wenn es eine Freude für die Engel ist, daß ein Sünder seine Sünden verlasse und Buße tue, welche Freude, welcher Jubel wird es für den ganzen himmlischen Hof sein, welche Ehre für Jesus Christus selbst, zu sehen, wie wir auf Erden andächtig und mit Liebe Seine Erniedrigungen, Seine Qualen, Seinen grausamen und schmählichen Tod betrachten? Gibt es etwas Wirksameres, uns zu rühren und zu aufrichtiger Buße zu führen?
Der Christ, der die Geheimnisse des Rosenkranzes nicht betrachtet, zeigt eine große Undankbarkeit gegen Jesus Christus und Geringschätzung gegen alles, was der göttliche Erlöser für das Heil der Welt gelitten hat. Sein Betragen scheint zu sagen, daß ihm das Leben Jesu Christi fremd ist, daß er sich wenig darum bemühe, kennenzulernen, was Er getan und gelitten hat, um uns zu erlösen. Da ein solcher Christ Jesus Christus nicht gekannt oder vergessen hat, muß er sehr befürchten, daß ihn der göttliche Heiland am Tage des Gerichtes mit dem Vorwurfe von sich stoße: „Wahrlich, wahrlich sage Ich dir, Ich kenne dich nicht" (Mt 25,12).
Betrachten wir also im heiligen Rosenkranz das Leben und die Leiden des Erlösers, lernen wir Ihn gut kennen und Seine Wohltaten anerkennen, damit Er uns am Tage des Gerichtes als Seine Kinder und Freunde anerkenne.
VIERUNDZWANZIGSTE ROSE: Die Betrachtung der Geheimnisse des Rosenkranzes ist ein großes Mittel, zur Vollkommenheit zu gelangen
Die Heiligen nahmen das Leben Jesu Christi zum hauptsächlichsten Gegenstand ihres Studiums. Sie betrachteten Seine Tugenden und Leiden und gelangten dadurch zur christlichen Vollkommenheit.
Der heilige Bernhard hat mit dieser Übung begonnen und sie immer fortgesetzt. „Vom Beginne meiner Bekehrung an“, sagte er, „wand ich mir ein Myrrhensträußchen aus den Schmerzen meines Erlösers. Ich legte dieses Sträußchen auf mein Herz, indem ich an die Geißeln, an die Domen und an die Nägel Seines Leidens dachte. Ich richtete die ganze Aufmerksamkeit meines Geistes darauf, täglich über diese Geheimnisse zu betrachten."
Das war die Übung der heiligen Märtyrer. Wir staunen, wie sie über die grausamsten Qualen triumphiert haben. Woher konnte diese wunderbare Standhaftigkeit der Märtyrer kommen, fragt der heilige Bernhard, wenn nicht von den Wunden Jesu Christi, über welche sie ihre häufigste Betrachtung anstellten? Wo war die Seele jener heldenmütigen Streiter, während ihr Blut floß und ihr Körper von den Schmerzen zermalmt war? Ihre Seele verweilte in den Wunden Jesu Christi, und diese Wunden machten sie unüberwindlich.
Die heiligste Mutter des Erlösers hat sich in ihrem ganzen Leben mit nichts anderem beschäftigt, als mit der Betrachtung der Tugenden und Leiden ihres Sohnes. Als sie bei Seiner Geburt die Engel ihren Jubelgesang singen hörte, als sie die Hirten Ihn in der Krippe anbeten sah, wurde ihr Geist von Bewunderung erfüllt, und sie betrachtete all diese wunderbaren Begebenheiten. Sie verglich die Herrlichkeiten des menschgewordenen Wortes mit Seiner tiefen Erniedrigung; das Stroh und die Krippe mit dem Thron und dem Schoße Seines Vaters; die Macht eines Gottes mit der Schwachheit eines Kindes; Seine Weisheit mit Seiner Einfalt.
Die Allerseligste Jungfrau sagte eines Tages zur heiligen Brigitta: „Wenn ich die Schönheit, Bescheidenheit und Weisheit meines Sohnes betrachtete, war meine Seele wonnetrunken, und wenn ich Seine Hände und Füße anschaute, die einst von Nägeln durchbohrt werden sollten, vergoß ich einen Strom von Tränen, mein Herz brach vor Traurigkeit und Schmerz."
Nach der Himmelfahrt Jesu brachte Maria, die Gottesmutter, den Rest ihres Lebens damit zu, die Orte zu besuchen, welche der göttliche Erlöser durch Seine Gegenwart und durch Seine Leiden geheiligt hatte. Dort betrachtete sie das Übermaß Seiner Liebe und die Größe Seines Leidens.
Das war auch die fortwährende Übung der heiligen Maria Magdalena während der dreißig Jahre, die sie in der heiligen Grotte von Sainte Baume bei Marseille lebte.
Endlich sagt der heilige Hieronymus, das sei die Andacht der ersten Gläubigen gewesen. Von allen Ländern der Erde zogen sie in das Heilige Land, um durch den Anblick der Orte und Gegenstände, die der göttliche Heiland durch Seine Geburt, Seine Arbeiten, Seine Leiden und Seinen Tod geheiligt hatte, die Liebe und das Andenken an den Erlöser der Menschen tiefer in ihre Herzen einzuprägen.
Alle Christen haben nur einen Glauben, beten nur einen Gott an, erhoffen alle dieselbe Seligkeit im Himmel; sie kennen nur einen Mittler, nämlich Jesus Christus; alle müssen dieses göttliche Vorbild nachahmen und zu diesem Zwecke die Geheimnisse Seines Lebens, Seiner Tugenden und Seiner Herrlichkeit betrachten.
Es ist ein Irrtum, sich einzubilden, die Betrachtung der Glaubenswahrheiten und der Geheimnisse des Lebens Jesu Christi sei nur Sache der Priester, der Ordensleute und jener, die sich vom Getriebe der Welt zurückgezogen haben. Wenn die Ordensleute und Geistlichen verpflichtet sind, die großen Geheimnisse unserer hl. Religion zu betrachten, um ihrem Berufe würdig zu entsprechen, sind die Weltleute mindestens ebensosehr dazu verpflichtet wegen der Gefahren, in denen sie sich täglich befinden, verlorenzugehen. Sie müssen sich also mit der häufigen Erinnerung an das Leben, die Tugenden und Leiden des Erlösers wappnen, die uns in den 15 Geheimnissen des Rosenkranzes vor Augen treten.
FÜNFUNDZWANZIGSTE ROSE: Reichtümer der Heiligung, die im Gebete und in der Betrachtung des Rosenkranzes eingeschlossen sind
Niemals wird jemand die wunderbaren Reichtümer der Heiligung begreifen, die in den Gebeten und Geheimnissen des heiligen Rosenkranzes enthalten sind. Diese Betrachtung der Geheimnisse des Lebens und des Todes unseres Herrn Jesu Christi ist für alle, die sich dieselben zunutze machen, die Quelle der wunderbarsten Wirkungen.
Heute will man Dinge, die auffallen, die Gemüter bewegen, die in der Seele tiefe Eindrücke hervorrufen. Was gibt es auf Erden Rührenderes als die wunderbare Geschichte unseres Erlösers, die sich in fünfzehn Bildern vor unseren Augen entrollt und uns die großartigen Szenen des Lebens, des Todes und der Glorie des Welterlösers vorführt?
Welche Gebete sind vorzüglicher und erhabener als das Gebet des Herrn und der Gruß des Engels? Darin sind alle unsere Wünsche, unsere Bedürfnisse eingeschlossen.
Die Betrachtung der Geheimnisse und der Gebete des Rosenkranzes ist die leichteste von allen, weil die Mannigfaltigkeit der Tugenden und Zustände Jesu Christi, die man betrachtet, den Geist wunderbar erfrischt und stärkt und die Zerstreuungen verhindert.
Die Gelehrten finden in diesen Formeln die tiefgründigste Lehre und die Kleinen die einfachsten Unterweisungen. Man muß durch diese leichte Betrachtungsweise hindurchgehen, bevor man sich bis zum höchsten Grad der Beschauung erhebt. Das ist der Gedanke des heiligen Thomas von Aquin und der Rat, den er uns gibt, wenn er sagt, wir müssen zuerst wie auf einem Kampffeld uns durch die Erwerbung aller Tugenden üben, deren vollkommenes Vorbild wir in den Geheimnissen des Rosenkranzes besitzen; denn dort, sagt der gelehrte Cajetan, erwerben wir uns die innige Vereinigung mit Gott, ohne welche die Beschauung nur eine Täuschung ist, durch welche die Seelen leicht irregeführt werden.
Wenn die falschen Mystiker unserer Tage oder Quietisten diesen Rat befolgt hätten, so wären sie nicht so schrecklich tief gefallen, noch hätten sie solches Ärgernis in der Frömmigkeit verursacht. Es ist eine besondere Täuschung des Teufels, zu glauben, man könne erhabenere Gebete verrichten als das Vaterunser und Ave Maria.
Widmet man sich diesen göttlichen Gebeten, so ist es, ich gestehe es, nicht immer notwendig, sie mündlich zu verrichten, das innerliche Gebet ist in gewissem Sinne vollkommener denn das mündliche, aber ich behaupte auch, daß es sehr gefährlich ist, um nicht zu sagen verderblich, auf eigenen Antrieb das mündliche Gebet des Rosenkranzes unter dem Vorwand vollkommener Vereinigung mit Gott zu unterlassen.
Die von feinem Stolze und vom Teufel getäuschte Seele, die innerlich alles tut, was sie kann, um sich zu dem erhabenen Grad der Beschauung der Heiligen zu erheben, verachtet und verläßt dafür ihre alten Gebetsweisen, die nur für gewöhnliche Seelen gut seien. Sie verschließt ihr Ohr eigenmächtig den Gebeten und dem Gruße eines Engels, ja selbst dem Gebete, das ein Gott verfaßt, geübt und empfohlen hat: Sic ergo vos orabitis: Pater noster... so sollt ihr beten: Vater unser... (Mt 6,9) und dadurch fällt sie von einer Täuschung in die andere und von Abgrund zu Abgrund.
Glaube mir, mein lieber Mitbruder, wenn du zu einer hohen Stufe des betrachtenden Gebetes gelangen willst, ohne dich selbst zu täuschen oder in die Täuschungen des Teufels zu fallen, die für die mystischen Seelen so häufig sind, so bete jeden Tag, wenn du kannst, den ganzen Psalter [15 Gesätze], oder wenigstens den Rosenkranz [5 Gesätze]. Wer immer, ob Gerechter oder Sünder, mit frommer Ehrfurcht zu Maria seine Zuflucht nimmt, wird vom höllischen Feind weder betrogen noch verschlungen werden (spätere Beifügung des hl. Grignion).
Der hl. Katharina von Siena wurde folgendes geoffenbart: "Quicumque justus vel peccator recurrit ad eam cum devota reverentia, nullo modo decipitur vel devorabitur ab infemali daemone.“ „Wer immer, ob Gerechter oder Sünder, mit frommer Ehrfurcht zu Maria seine Zuflucht nimmt, wird vom höllischen Feinde weder betrogen noch verschlungen werden." (Katharina von Siena, Offenbarungen).
Bist du aber bereits durch die Gnade Gottes dahin gelangt, so bleibe der Übung des heiligen Rosenkranzes treu, wenn du dich auf dieser Stufe erhalten und durch die Demut darin höher steigen willst; denn niemals wird eine Seele, die ihren Rosenkranz täglich betet, in eine formelle Irrlehre fallen, noch vom Teufel getäuscht werden; das ist eine Behauptung, die ich mit meinem Blute unterschreiben würde.
Wenn aber Gott in Seiner großen Barmherzigkeit mitten im Rosenkranz dich ebenso mächtig an sich zieht wie viele Heilige, so lasse dich von Ihm ziehen, lasse Gott in dir wirken und beten und auf Seine Weise den Rosenkranz verrichten und lasse es für diesen Tag bei diesem Rosenkranz bewenden.
Wenn du aber nur in der tätigen Beschauung oder im gewöhnlichen Gebete der Ruhe, der Gegenwart Gottes und der Liebe bist, so hast du noch weniger Grund, den Rosenkranz aufzugeben, und weit entfernt, durch dieses Gebet in der Betrachtung und in der Tugend zurückzuschreiten, wird es dir im Gegenteil eine wunderbare Hilfe und die wahre Jakobsleiter mit fünfzehn Sprossen sein, auf denen du von Tugend zu Tugend, von Licht zu Licht emporsteigen und ohne Täuschung leicht zum Vollalter Jesu Christi gelangen wirst.
SECHSUNDZWANZIGSTE ROSE: Der Rosenkranz, ein erhabenes Gebet
Hüte dich wohl, den Eigensinn jener frommen Seele von Rom nachzuahmen, deren Geschichte so oft erzählt wird. Es war eine so fromme und eifrige Person, daß sie durch ihr heiliges Leben die strengsten Ordensleute der Kirche Gottes beschämte. Als sie den heiligen Dominikus um Rat fragen wollte und bei ihm gebeichtet hatte, legte er ihr als Buße einen einzigen Psalter auf und gab ihr den Rat, ihn täglich zu beten. Sie entschuldigte sich und sagte, sie habe ihre wohlgeordneten Übungen, gewinne täglich die Stationsablässe von Rom, trage das härene Bußkleid, das Cilizium, geißle sich mehrmals in der Woche, faste soviel und verrichte noch andere Bußwerke. Der heilige Dominikus drängte und drängte sie, seinen Rat zu befolgen, sie aber wollte nichts davon wissen. So verließ sie den Beichtstuhl und nahm beinahe Ärgernis am Vorgehen des neuen Seelenführers, der ihr eine Andacht beibringen wollte, an der sie keinen Geschmack finden konnte. Plötzlich ward sie im Gebete entrückt und sah ihre Seele vor dem höchsten Richter erscheinen.
Der heilige Erzengel Michael legte in die eine Waagschale alle ihre Bußwerke und anderen Gebete und in die andere Schale alle ihre Sünden und Unvollkommenheiten. Er hob die Schale in die Höhe: die Waagschale mit den guten Werken schnellte empor und konnte die Schale mit den Sünden und Unvollkommenheiten nicht aufwiegen. Ganz erschreckt rief sie um Erbarmen und wandte sich an die Himmelskönigin, ihre Fürsprecherin, welche in die Schale mit den guten Werken den einzigen Psalter fallen ließ, den sie als Buße gebetet hatte, und dieser war so schwer, daß er sowohl all ihren Sünden, wie auch allen ihren guten Werken das Gleichgewicht hielt. Gleichzeitig wurde sie von Maria getadelt, daß sie sich geweigert habe, dem Rate ihres Dieners Dominikus zu folgen und den Psalter täglich zu beten. Wieder zu sich gekommen, ging sie und warf sich dem Heiligen zu Füßen, erzählte ihm, was ihr begegnet, bat ihn um Verzeihung wegen ihrer Ungläubigkeit, versprach, den Psalter jeden Tag zu beten und gelangte dadurch zur christlichen Vollkommenheit und zur ewigen Glorie.
Lernet daraus, mystische Seelen, die Kraft, den Preis und die Wichtigkeit dieser Andacht des Rosenkranzes mit Betrachtung der heiligen Geheimnisse erkennen.
Wer ist im Gebete höher emporgestiegen als die heilige Maria Magdalena, welche siebenmal des Tages von den Engeln in den Himmel entrückt wurde und die in der Schule Jesu Christi und Seiner heiligsten Mutter selbst gewesen war? Und doch, als sie eines Tages Gott um ein besonderes Mittel bat, um in Seiner Liebe zu wachsen und zur höchsten Vollkommenheit zu gelangen, kam der hl. Erzengel Michael von Gott gesandt zu ihr, um ihr zu sagen, er wisse kein anderes Mittel, als vor einem Kreuze, das er ihr vor die Höhle pflanzte, die schmerzhaften Geheimnisse zu betrachten, deren Verwirklichung sie einst mit eigenen Augen geschaut hatte.
Möge dich das Beispiel des heiligen Franz von Sales, dieses großen Seelenführers seines Jahrhunderts, der bei all seiner großen Heiligkeit sich durch ein Gelübde verpflichtete, den Rosenkranz alle Tage seines Lebens zu beten, zum Beitritt in die Rosenkranzbruderschaft bewegen!
Der heilige Karl Borromäus betete ihn auch täglich und empfahl seinen Priestern und Klerikern in den Seminarien, sowie dem ganzen Volke die Andacht sehr.
Der heilige Pius V., einer der größten Päpste, die die Kirche regiert haben, betete den Rosenkranz jeden Tag.
Der heilige Thomas von Villanova, Erzbischof von Valencia, der heilige Ignatius von Loyola, der heilige Franz Xaver, der heilige Franz von Borgia, die heilige Theresia, der heilige Philipp Neri und mehrere andere große Männer, die ich übergehe, haben sich durch diese Andacht ausgezeichnet. Folget ihrem Beispiel, eure Seelenführer werden sich darüber freuen, und wenn sie sehen, welche Früchte ihr daraus ziehet, so werden sie die ersten sein, die euch dazu ermuntern.
SIEBENUNDZWANZIGSTE ROSE: Wohltaten und Wirkungen des Rosenkranzes
Um euch noch mehr zu dieser Andacht der großen Seelen zu ermuntern, füge ich noch bei, daß der unter Betrachtung der heiligen Geheimnisse gebetete Rosenkranz:
Die Kenntnis Jesu Christi ist die Wissenschaft der Christen und die Wissenschaft des Heils. Sie übersteigt, sagt der heilige Paulus (vgl. Phil 3,8), alle menschlichen Wissenschaften an Wert und Vortrefflichkeit:
Glückseliger Rosenkranz, der uns diese Wissenschaft und Erkenntnis Jesu Christi vermittelt, indem er uns anleitet, das Leben, das Leiden, den Tod und die Glorie Jesu Christi zu betrachten!
Als die Königin von Saba die Weisheit Salomons bewunderte, rief sie aus: „Glückselig sind deine Leute und glückselig deine Diener, die immerdar vor dir stehen und deine Weisheit hören" (3 Kön 10,8). Doch glücklicher jene Gläubigen, die aufmerksam das Leben, die Tugenden, die Leiden und die Glorie des Erlösers betrachten, denn sie erwerben sich dadurch die vollkommene Erkenntnis, worin das ewige Leben besteht. Haec est vita aeterna (vgl. Joh 17,3).
Die Allerseligste Jungfrau offenbarte dem seligen Alanus, daß die verhärteten Sünder gerührt wurden und ihre Missetaten bitter beweinten, sobald der heilige Dominikus den Rosenkranz predigte. Kleine Kinder sogar taten unglaubliche Bußwerke; der Eifer war so groß, daß überall, wo er predigte, die Sünder ihr Leben änderten und alles mit ihren Bußwerken und der Besserung ihres Lebens erbauten. Wenn du dein Gewissen von Sünden belastet fühlst, so nimm deinen Rosenkranz und bete einen Teil davon zu Ehren einiger Geheimnisse des Lebens, Leidens oder der Glorie Jesu Christi und sei überzeugt, daß Jesus Christus dem Vater im Himmel, während du diese Geheimnisse ehrst und betrachtest, Seine heiligen Wunden zeigt. Er wird Fürbitte für dich einlegen und dir Reue und die Verzeihung deiner Sünden erlangen.
Eines Tages sagte der göttliche Heiland zum seligen Alanus: „Wenn jene unglücklichen Sünder den Rosenkranz oft beteten, so würden sie an den Verdiensten Meines Leidens teilnehmen und Ich würde als ihr Fürsprecher die göttliche Gerechtigkeit besänftigen."
Dieses Leben ist ein fortwährender Kampf und eine beständige Versuchung; denn wir haben nicht den Kampf wider Fleisch und Blut zu führen, sondern wider die Mächte und Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser Finsternis, wider die Geister der Bosheit (Eph 6,12). Welche bessere Waffe werden wir ergreifen, um sie zu bekämpfen, als das Gebet, das unser großer Feldherr uns gelehrt, als den Engelsgruß, der die Teufel vertrieben, die Sünde zerstört und die Welt wieder erneuert hat, als die Betrachtung des Lebens und Leidens Jesu Christi? Mit diesem Gedanken müssen wir uns wappnen, wie der heilige Petrus befiehlt, um uns gegen dieselben Feinde zu verteidigen, die er besiegt hat, und die auch uns täglich angreifen (vgl. 1 Petr 4,1).
„Seit der Teufel", sagt Kardinal Hugo, „durch die Demut und das Leiden Jesu Christi besiegt worden ist, kann er gleichsam einer Seele nichts mehr anhaben, die mit der Betrachtung Seiner Geheimnisse ausgerüstet ist, oder wenn er sie angreift, so wird er schmählich besiegt."
Induite vos armaturam Dei: Ziehet also diese Waffenrüstung Gottes an (Eph 6,11), den heiligen Rosenkranz, und ihr werdet das Haupt des Teufels zertreten und in allen seinen Versuchungen standhaft bleiben.
Daher kommt es, daß selbst der materielle Rosenkranz dem Teufel so schrecklich ist und daß die Heiligen sich desselben bedient haben, um den bösen Feind in die Flucht zu schlagen und aus dem Körper der Besessenen zu vertreiben, wovon mehrere Geschichten Zeugnis ablegen.
Ein Mensch, sagt der selige Alanus, der vergeblich alle Arten von Andachtsübungen versucht hatte, um von einem bösen Geist, von dem er besessen war, befreit zu werden, geriet auf den Einfall, sich einen Rosenkranz um den Hals zu legen, was ihm Erleichterung brachte. Da er nun gemerkt hatte, daß der Teufel ihn sofort heftig quälte, sobald er den Rosenkranz vom Hals wegnahm, beschloß er, den Rosenkranz Tag und Nacht zu tragen, wodurch der Teufel, der eine solch schreckliche Kette nicht ertragen konnte, für immer vertrieben wurde. Der selige Alanus bezeugte, er habe eine große Zahl Besessener dadurch befreit, daß er ihnen so den Rosenkranz um den Hals legte.
Als Pater Johann Amat aus dem Orden des heiligen Dominikus in einem Orte des Königreiches Aragonien die Fastenpredigten hielt, führte man ein vom Teufel besessenes Mädchen zu ihm. Nachdem er den Exorzismus mehrmals vergeblich angewandt hatte, legte er ihr seinen Rosenkranz um den Hals, und sogleich fing sie an, ein schreckliches Geschrei und Geheul auszustoßen, indem sie sagte: „Fort, fort mit diesen Körnern, die mich quälen!" endlich nahm ihr der Vater aus Mitleid mit seiner armen Tochter den Rosenkranz vom Hals.
In der folgenden Nacht, als sich der Pater zur Ruhe begeben hatte, kamen dieselben Dämonen, von denen das Mädchen besessen war, wutschäumend zu ihm, um sich seiner zu bemächtigen; doch mit seinem Rosenkranz, den er fest in der Hand hielt, schlug er sie trotz ihrer Anstrengungen, ihm denselben zu entreißen, wunderbar in die Flucht, indem er sprach: „Heilige Maria, Unsere Liebe Frau vom heiligen Rosenkranz, hilf mir!"
Als er am folgenden Morgen zur Kirche ging, begegnete er jenem armen Mädchen, das noch besessen war. Einer der Teufel, die in ihr waren, fing an, sich über ihn lustig zu machen, indem er sagte: „Nicht wahr, Bruder, wenn du deinen Rosenkranz nicht gehabt hättest, hätten wir dich schön hergerichtet!" Dann warf der Pater unversehens seinen Rosenkranz um den Hals des Mädchens, indem er sprach: „Durch die heiligsten Namen Jesu und Mariä, Seiner heiligen Mutter, und durch die Kraft des heiligsten Rosenkranzes befehle ich euch, unreine Geister, sofort aus diesem Körper zu fahren!" Augenblicklich waren sie gezwungen, zu gehorchen, und das Mädchen war befreit.
Diese Erzählungen zeigen uns, wie groß die Macht des heiligen Rosenkranzes ist, um alle Arten von Versuchungen und Sünden zu besiegen, weil die geweihten Körner des Rosenkranzes sie verscheuchen.
ACHTUNDZWANZIGSTE ROSE: Heilsame Früchte, die durch die Betrachtung des Leidens Christi hervorgerufen werden
Der heilige Augustin versichert, es gebe keine für das Seelenheil wirksamere und nützlichere Übung, als oft an die Leiden unseres Heilandes zu denken.
Dem seligen Albert dem Großen, dem Lehrer des heiligen Thomas, ward geoffenbart, daß die bloße Erinnerung oder Betrachtung des Leidens Jesu Christi für den Christen verdienstlicher sei, als ein Jahr lang jeden Freitag bei Wasser und Brot zu fasten oder alle Wochen sich bis aufs Blut zu geißeln oder jeden Tag das Psalterium (die 150 Psalmen) zu beten. Wie groß ist infolgedessen das Verdienst des Rosenkranzes, der das Gedächtnis des ganzen Lebens und Leidens unseres Herrn in sich schließt!
Die Gottesmutter offenbarte eines Tages dem seligen Alanus, daß es nach dem heiligen Meßopfer, welches die erste und lebendigste Gedächtnisfeier des Leidens Jesu Christi ist, keine ausgezeichnetere und verdienstlichere Andacht als den Rosenkranz gebe, der gleichsam eine zweite Gedächtnisfeier und eine zweite Darstellung des Lebens und Leidens Jesu Christi ist.
Pater Dorland berichtet, die Mutter Gottes habe eines Tages dem ehrwürdigen Kartäuser Pater Dominikus, einem Verehrer des Rosenkranzes in Trier, im Jahre 1481 gesagt: „Jedesmal, wenn ein Gläubiger im Gnadenstande den Rosenkranz mit Betrachtung der Geheimnisse des Lebens und Leidens Jesu Christi betet, erhält er die volle und ganze Nachlassung aller seiner Sünden."
Sie sagte auch zum seligen Alanus: „Wisse, obschon meinem Rosenkranze so viele Ablässe verliehen sind, so werde ich doch für jeden Rosenkranz noch viel mehr hinzufügen für jene, die ihn ohne schwere Sünde andächtig auf den Knien beten, und wer immer in der Andacht zum heiligen Rosenkranz verharrt, dem werde ich in seiner Todesstunde zur Belohnung für diesen treuen Dienst volle Vergebung aller seiner Sündenstrafen und aller seiner Sündenschuld erlangen. Und das soll dir nicht unglaubwürdig erscheinen; es ist mir leicht, denn ich bin die Mutter des Königs der Himmel und heiße voll der Gnade, und da ich voll der Gnade bin, werde ich sie über meine geliebten Kinder reichlich ausgießen."
Der heilige Dominikus war so sehr von der Wirksamkeit und dem Verdienst des heiligen Rosenkranzes überzeugt, daß er seinen Beichtkindern fast keine andere Buße auferlegte, wie wir in der obigen Erzählung von jener frommen Frau zu Rom gehört haben, welcher er einen einzigen Psalter zur Buße gab.
Um sicher in den Fußstapfen dieses großen Heiligen zu wandeln, sollten die Beichtväter ihren Beichtkindern viel mehr den Rosenkranz mit Betrachtung der heiligen Geheimnisse auferlegen als andere Bußwerke, die nicht so verdienstlich sind, nicht so gottgefällig, den Seelen zum Fortschritt in der Tugend weniger behilflich, und weniger wirksam, sie vor dem Rückfall in die Sünde zu bewahren. Überdies gewinnt man durch den Rosenkranz eine Menge von Ablässen, die nicht mit vielen anderen Andachtsübungen verbunden sind.
„Gewiß", sagt der ehrwürdige Blosius, „ist der Rosenkranz mit den Betrachtungen des Lebens und Leidens Jesu Christi dem göttlichen Heiland und Seiner heiligsten Mutter sehr wohlgefällig, und sehr wirksam, alle Gnaden zu erlangen. Wir können ihn sowohl für uns als auch für jene, die uns empfohlen wurden, und für die ganze Kirche beten. Nehmen wir doch Zuflucht zur Andacht des heiligen Rosenkranzes in allen unseren Bedürfnissen, und wir werden unfehlbar erlangen, was wir von Gott für unser Seelenheil erbitten."
NEUNUNDZWANZIGSTE ROSE: Der Rosenkranz als Seelenretter
Nach dem Gedanken des heiligen Dionysius gibt es nichts Göttlicheres, nichts Erhabeneres noch Gottgefälligeres, als am Heil der Seelen mitzuwirken und die Machenschaften des Teufels, der an ihrem Verderben arbeitet, zu vereiteln; zu diesem Zwecke ist der Sohn Gottes auf die Erde herabgestiegen. Durch die Gründung der Kirche hatte Er das Reich Satans zerstört, aber dieser Tyrann hatte durch die Irrlehre der Albigenser, durch Haß, Uneinigkeit und durch die abscheulichen Laster, in die er die Welt des elften Jahrhunderts stürzte, seine Kraft wieder gefunden und über die Seelen eine grausame Herrschaft ausgeübt.
Wo war nun das Heilmittel für diese Unordnung? Wie konnte man die Kraft Satans brechen? Die Allerseligste Jungfrau, die Beschützerin der Kirche, hat kein wirksameres Mittel gegeben, um den Zorn ihres Sohnes zu besänftigen, die Irrlehre auszurotten und die Sitten der Christen zu verbessern, als die Rosenkranzbruderschaft. Wie der Erfolg bewies, hat der Rosenkranz die Liebe zu Gott und den häufigen Empfang der Sakramente wie in den ersten goldenen Zeiten der Kirche erneuert und die Sitten der Christen verbessert, welche diese Andacht pflegten. Er sah auch unzählige Kronen aus sehr schönen und duftenden Blumen, die für die andächtigen Beter des Rosenkranzes bereit waren und erkannte, daß sie sich, so oft sie den Rosenkranz beten, eine Krone flechten, womit sie im Himmel eines Tages geschmückt werden.
Die Vision dieses frommen Kartäusers ist jener des Liebesjüngers ähnlich, wo er eine unzählbare Menge von Engeln und Heiligen sah, welche Jesus Christus lobten und für alles priesen, was Er auf dieser Welt für unser Heil getan und gelitten hat (vgl. Offb 4-5). Und was tun die frommen Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft anderes?
Man darf sich aber nicht einbilden, der Rosenkranz sei nur für die Weiber, die Kleinen und die Unwissenden; er ist auch für die Männer, selbst für die größten Männer.
Sobald der heilige Dominikus dem Papste Innozenz III. den vom Himmel erhaltenen Befehl, diese heilige Bruderschaft zu errichten, mitgeteilt hatte, approbierte sie der Heilige Vater, ermahnte den heiligen Dominikus, sie zu verkünden, und wollte selbst aufgenommen werden. Selbst die Kardinäle schlossen sich mit großem Eifer an, sodaß Lopez behauptet: Nullus sexus, nulla aetas, nulla conditio ab oratione Rosarü subtraxit se: kein Geschlecht, kein Alter, kein Stand entzog sich der Andacht des Rosenkranzes.
So finden wir in dieser Bruderschaft Personen aller Stände: Herzoge, Fürsten, Könige ebensogut wie Prälaten, Kardinäle, Päpste, deren Aufzählung für diesen Abriß zu lang wäre; und, lieber Leser, durch deinen Beitritt zu dieser Bruderschaft hast du an ihrer Andacht Anteil, an ihren Gnaden auf Erden und an ihrer Glorie im Himmel: Cum quibus consortium vobis erit devotionis, erit et communio dignitatis.
DREISSIGSTE ROSE: Geistige Vorteile der Rosenkranzbruderschaft
Wenn die geistigen Vorteile, die Gnaden und Ablässe eine Bruderschaft empfehlenswert machen, so kann man sagen, daß die des heiligen Rosenkranzes die empfehlenswerteste aller kirchlichen Bruderschaften ist, denn sie ist am meisten mit Ablässen bereichert. Seit ihrer Entstehung gab es beinahe keinen Papst, der nicht zu ihren Gunsten die Schätze der Kirche geöffnet hätte, um sie zu bereichern. Und weil das Beispiel mehr noch als Worte und Wohltaten hinreißt, haben die Päpste auf keine bessere Weise ihre Hochschätzung für diese heilige Bruderschaft bekunden können, als indem sie selber ihr angehören wollten.